Mittwoch, 8. Oktober 2008

Jeder hat die Wahl und entscheidet für sich selbst....

[Hinter dem Haus ist ein böser Ort. Dort, wo fast immer Schatten liegt, wächst das Gras fett und dunkelgrün. Das kommt vom vielen Blut. Im Herbst und im Frühling wird an dieser Stelle das Schwein geschlachtet. Ein hagerer, grobknochiger Bauer besorgt das. Meta hält nicht viel von ihm, denn das Schwein schreit immer sehr lange. -
Die Kinder dürfen nicht zuschauen, aber es gibt keinen Platz im Haus, wo man das erbärmliche Geschrei nicht hören müsste. Ein halbes Jahr lang war das Schwein ein liebes Tier, dem man Leckerbissen zugesteckt hat und das immer von Berti gestriegelt worden ist. Wenn es krank war, hat Mama es gepflegt wie ein Kind. Jeder hat das Schwein gern, es ist hübsch rosarot und lustig und grunzt, wenn man seinen feuchten, warmen Rüssel kratzt. -
Plötzlich, über Nacht, wird das Schwein zum Tod verurteilt und dem Schlächter ausgeliefert. Und da gibt es keine Gnade. Es wird aus dem Stall gezerrt, und der Schlächter stößt ihm sein langes blaues Messer in den Hals. Berti steht mit einer Schüssel daneben und fängt das Blut auf. Dann wird das tote Tier in den Trog geworfen, abgebrüht und später an den Beinen aufgehängt und zerstückelt.
Sobald das Schwein im Trog liegt, dürfen die Kinder wieder zuschauen, denn was da liegt, ist nicht mehr das liebe Schwein, sondern ein Fett- und Fleischklumpen.
Das ist alles ganz unfaßbar. Wohin ist das Leben aus dem Schwein gegangen? Die blaßroten Fleischstücke erinnern nicht mehr an das lustige quiekende Geschöpf, dem Meta den Rüssel gestreichelt hat. Während die hohen gellenden Todesschreie durch das Haus dringen, sitzt Meta in ihrem Zimmer und hält sich die Ohren zu. Aber es nützt nichts, der verzweifelte Hilferuf dringt in ihr Hirn. Sie weiß, jetzt geschieht das Entsetzliche, das man nie mehr gutmachen kann, der Verrat, das zutiefst Böse.
Dunkelheit breitet sich in ihr aus in der Stille, die nun folgt.
Alles ist geschehen und nicht zu ändern.]

Aus dem Roman
"Himmel, der nirgendwo endet"
von Marlen Haushofer.

Ich will ja keine Lanze brechen für die Vegetarier. Auch schon gar nicht missionieren. Aber gut geschrieben ist das SchweineAbleben in dem Buch schon. Manch armes Schwein hat ja noch nicht mal ein solches Leben bis zum Tod.

4 Kommentare:

schuschan hat gesagt…

stimmt und am schlimmsten finden ich wenn sie geschächtet werden :(!

Moni Martini hat gesagt…

boah, ich bin ja nun auch vegetarier, aber sowas kann ich mir nicht durch lesen. ist schon schlimm. naja, ich bereite trotzdem fleisch zu und habe auch kein problem damit, wenn jemand neben mir fleisch isst.

Anonym hat gesagt…

....als hätte er die geschichte von unserer jolanthe erzählt...wir haben früher mal ein kleines schwein groß gezogen...leider musste es dann not geschlachtet werden...so sagte man uns kindern...aber ähnlich haben wir die situation auch erlebt...

c'est la vie...auf dem dorf wird man ein wenig robuster groß und sieht es mit anderen augen...;o)
esse aber auch möglichst wenig fleisch.

;o)
U

spectare hat gesagt…

Zu diesem Thema fällt mir "Emmas Glück" ein.

http://www.newsflex.de/kino/film_kritik173744.html

http://emmas-glueck.pandorafilm.de/