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Gerade werde ich wieder Zeuge, wie die Fußballfans ein europaweites (oder weltweites?) Feld für ihre Spiele schaffen durch ihr Engagement und Begeisterung. Von Fußball mag man halten, was man will, aber keine andere Gruppe, auch keine Religion bringt ein vergleichbares Feld auf die Beine. Und die Frage wäre nahe liegend, was macht Fußball – abgesehen von seinen Fans - zu diesem Ereignis? Was wäre etwa wenn die Umweltschützer eine vergleichbare Begeisterung für ihr Thema entfachen könnten, was wenn die Gesundheitsbewussten etwas ähnliches schaffen würden oder die Meditierenden oder die Christen? Wie kläglich wirken verglichen mit der EM jene UNO-Tage des Tierschutzes, des Kindes und all der anderen wichtigen und scheinbar doch viel weniger interessanten Themen. Vom Feld der Fußballfans können alle anderen nur träumen. - Im Gegensatz zu jenem größeren Spiel und Ritual, dem Leben, hat das Fußballritual den ungeheuren Vorteil, dass hier fast alle Ritualbeiwohner die Regeln kennen. Während sie im Leben ein Eigentor nach dem anderen schießen, wissen sie es beim Fußballritual besser. Da kennen sie die Richtung und wissen was los ist, halten den richtigen die Daumen und sich selbst weitgehend an die Regeln.Dabei schafft Fußball etwas Großartiges. In diesem Ritual des Dampfablassens innerhalb eines unübersehbaren Feldes von Gleichgesinnten liegt der Verdacht nahe, dass Gesundheitsapostel und Friedensaktivisten lediglich der Neid frisst, weil sie für ihre soviel edleren Themen nicht einmal Annäherndes schaffen. Fußball vereint die Kontinente von Europa über Afrika und Asien bis nach Südamerika. Lediglich die Nordamerikaner können dabei, wie bei manchem anderen, nicht wirklich mitfühlen und schon gar nicht mithalten. Tatsächlich ist Fußball ein Spiel, bei dem sich 11 junge Millionäre unter der Aufsicht eines „schwarzen Mannes“, der nicht selten während des Geschehens zum Buhmann wird, bemühen, einen ledernen Fetisch gegen den Widerstand von 11 anderen Millionären in ein Gehäuse zu verfrachten, das man weltweit Tor nennt. Dem primitiven Instrument des schwarzen Mannes gehorchend, halten sich die jungen Helden, so gut sie es vermögen, an bestimmte Ritualregeln und „behandeln“ das lederne Objekt zum Beispiel nur mit den Füßen und Köpfen und lassen – bis auf den Schlussmann – die Hände aus dem Spiel. Wenn sich einer doch hinreißen lässt, hinzulangen, wird er zusammen mit all seinen Kollegen, die dasselbe bunte Ritual-Gewand tragen, kollektiv und rituell durch besondere Stöße bestraft. Diese so genannten Frei-Stöße, im absoluten Ernstfall, wenn das Delikt in der Nähe des Heiligtums geschah, auch Straf-Stöße genannt, können das Ganze entscheiden und damit den Stab über Glück und Unglück ganzer Nationen brechen. Beim folgenden Schuss aus nächster Entfernung kann auch keine Menschenkette wie beim Freistoß das Schlimmste verhindern. Jetzt stehen sich der Schütze und der Schlussmann Aug in Aug gegenüber, und die Millionen Zuschauer im weiten Rund um den Ritualplatz halten den Atem an, während sie ansonsten großflächige rituelle Bewegungen machen, die als La-Ola-Wellen durch das ganze Ritualrund laufen, auf archaischen Musikinstrumenten spielen oder in taumelnde Begeisterung verfallen.
Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert davon.
1 Kommentar:
Indication, dein Vergleich mit archaischen Ritualen und Bewegungen trifft die Sache auf den Kopf. Es ist nichts anderes als verlagerte Gladitorenspiele mit riesigen Gewinnen, wenn man überlebt und aufsteigt, der Traum vom Könner, ob er anderes kann oder nicht ... und es ist kollektive Lust, wenn das Es und Unbewusste zu einem riesigen Gau anwächst und voller Enttäuschung kollabiert. Das Jägerhafte bricht durch, die Hetzjagd, das Verfolgen und Erlegen ... zumindest durch ein Foul ... der finale Stoß gegen den Gegner. Kriegerische Handlungen kultiviert aufs Grün gebannt.
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