Mittwoch, 28. März 2007

Die Post

Es ist schwierig, ein effizienter Nutzer von Post und Telefon zu werden - "Ihre neue Freiheit hat einen Namen", schrieb mir neulich die Firma DHL, das Frachtunternehmen der Deutschen Post. Meine neue Freiheit hört auf den Namen Packstation, liegt auf dem Weg nach Hause und ist der Inbegriff von Modernität. Ein gelber freundlicher Schrank, dessen Computer-Bildschirm mich jedes Mal begrüßt mit den Worten "Ich bin immer für dich da". Ach, das hört man gern. Ich bin sicher, endlich beginnt auch für mich das Zeitalter der effizienten Kommunikation. Ich werde nicht mehr nur warten, bis ein Paketbote kommt. Nein, ich habe eine Chipkarte beantragt, mit der ich künftig rund um die Uhr meine Pakete abholen kann. Sobald der Paketbote etwas für mich in die Packstation gelegt hat, kriege ich eine Nachricht auf mein Handy. Und vorsichtshalber noch mal per E-Mail. Endlich kann auch ich meinen Teil zum Fortschritt beitragen, ach, es geht doch voran mit Deutschland. Wie heißt es noch mal in dieser Anzeigenkampagne:
"Du bist Deutschland. Du bist von allem ein Teil. Und alles ist ein Teil von dir."
Es läuft prima. Zweimal bekomme ich eine SMS aufs Handy, zweimal gehe ich zur neuen Packstation, tippe meinen Geheimcode ein, und es öffnet sich wie bei einem Adventskalender eine Tür, hinter der sich mein Paket verbirgt. Ich fühle mich gut. Ich bin ein Teil vom modernen Deutschland, und alles ist ein Teil von mir.
Bis letzte Woche diese rote Karte in meinem Briefkasten lag. Warum nur hat der Paketbote meine Packstation ignoriert? Missmutig fahre ich mit dem Auto zur Adresse, die auf der roten Karte steht, aber da ist kein Postamt mehr. Schon seit drei Jahren nicht mehr, sagt der Gemüsemann des türkischen Ladens, der nebenan aufgemacht hat. Auch er ist ein Teil von Deutschland, und er kennt sich hier besser aus als der Paketbote. Ich schlage in meinem örtlichen Telefonbuch die Telefonnummer der Post nach. Es meldet sich ein Call-Center, und der Agent will wissen, in welcher Stadt ich denn wohne. Wahrscheinlich sitzt er in Dublin oder Kattowitz. Wahrscheinlich ist er kein Teil von Deutschland. Und meine Wut hat allmählich einen Namen: Sie heißt Post.
Das Call-Center kann mir nur helfen, wenn ich die Einlieferungsnummer des Paketes weiß. Dazu müsste man wissen, wer es eingeliefert hat. Das steht aber nicht auf der roten Karte. Die rote Karte ist nämlich ein Teil vom ganz alten Deutschland. Da steht keine Telefonnummer und kein Absender, nur das längst geschlossene Postamt. Immerhin kann das Call-Center erkennen, welches Postamt im Prinzip für mich zuständig ist. Da fahre ich am nächsten Morgen hin, um 8 Uhr, wie es auf meiner roten Karte steht. Leider macht genau diese Filiale aber erst um 9 auf.
Jetzt reicht's. Ich will einen Beschwerdebrief schreiben und die rote Karte an die DHL-Zentrale schicken. Aber wo sitzt die? Ich surfe eine halbe Stunde auf der Website der DHL, erfahre alles über Supply Chain Management und Fulfilment Logistics. Unter dem Button "Standorte" dreht sich eine Weltkugel mit DHL-Stützpunkten in Australien und Neuseeland. Aber nicht mit der Zentrale in Deutschland. Auf der ganzen Homepage gibt es keine Postadresse, an die man einen Brief schicken könnte. Briefe schicken soll man ja auch nicht, man soll per E-Mail kommunizieren und per Packstation.
Und allmählich frage ich mich, ob nur ich es bin, die am neuen, modernen Deutschland scheitert. Oder ob da irgendwo ein Fehler im System ist. Denn mein DHL-Erlebnis ist kein Einzelfall. Mein rasant schneller Internetzugang wurde mir von einem Telefonverkäufer angedreht, den ich vergeblich um eine Preisliste bat - geht nicht, sagte er, er dürfe keine E-Mails schreiben. Und als ich die technische Service-Hotline von T-Online neulich um einen Rückruf bat, sagte der Ärmste, er dürfe leider nicht raustelefonieren. Jetzt frag ich mich; An die Post kann man keine Briefe schicken. Der Internet-Verkäufer darf keine E-Mails versenden. Der T-Online-Berater darf nicht telefonieren. Und das soll Fortschritt sein?
Aber in der Deutschland-Kampagne heißt es auch: "Behandle dein Land wie einen guten Freund. Mecker nicht über ihn, sondern biete ihm deine Hilfe an." Deshalb habe ich vor einiger Zeit am Flughafen einem japanischen Touristen geholfen. Der wollte eine Ansichtskarte der Frankfurter Innenstadt verschicken, Die Gebäude ragten weit übers genormte Format hinaus. "Sondergröße" grummelte ihn der hessische Postbeamte an und wollte ihm sage und schreibe zwei Zehnerpacks Briefmarken verkaufen, von denen er jeweils neun nach Tokio hätte mitnehmen können. Ich habe ihm eine zerknitterte 45er aus meinem Geldbeutel geschenkt. Der Japaner ist jetzt mein Freund. Und ich will nicht, dass er so schlecht über Deutschland und die Post denkt wie ich.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

lass uns auswandern...
dann schreiben wir aus dem Ausland einen Brief mit schönen Grüßen an die Post...;o)))
U

Indication hat gesagt…

ja, machen wir. Und dann kleben wir keine Briefmarke drauf... ja ?
;-)) B.

spectare hat gesagt…

Lange durfte ich so eine herrliche Realsatire nicht lesen. Liebe B., einfach nur danke dafür! Ich weiß schon, warum ich gern die Abholscheinchen in meinem Postkästle habe. Und da steht auch immer das richtige Abholsonnenstudio drauf! Und warum ich bei einer anderen Telekommunikationsfirma als T-Com bin, weiß ich auch. Gleiches gilt auch für diese Sörf-Sache.
Nehmt ihr mich mit? Ich könnte gärtnern oder kochen! Übrigens: Briefmarken klebe ich schon lange nicht mehr drauf. Bislang ist das immer gut gegangen ....!

Indication hat gesagt…

gärtnern und kochen... der Platz ist schon besetzt. Sonst noch was, was du kannst ? Gut kannst ??
;-) B.

spectare hat gesagt…

Ähhh .....

Anonym hat gesagt…

Hmm klingt alles ein bischen fortschrittsverweigernd. Was ist mit den guten alten Zeiten, als Pakete noch mit der Postkutsche kamen und einen Monat durch Deutschland brauchten (wenn sie nicht von Wegelagerern geraubt wurden)?

Nee mal im Ernst. Wir alle freuen uns über unsere Telefone, die mittlerweile auch schnurlos unterwegs funktionieren. Und wir freuen uns, dass der Geldautomat auch nach Bankenschluss uns Geld gibt. Und zumindest ich freue mich, dass ich meine Pakete auch nach Postschluss abholen kann ... und sei es an einer Packstation ;-)

Indication hat gesagt…

@tulpe.
Fortschrittsverweigernd bin ich nicht. Eher das Gegenteil. Wenn es denn auch wirklich ein Fortschritt ist und nicht nur den Anschein haben soll...

Anonym hat gesagt…

Realsatire ist solange lustig, bis man sie selber erlebt...aber dann gleich auswandern? Danke - anderswo ist es leider auch nicht besser. Die französischen Pakete gingen gern verloren, wenn die Post mal ausnahmsweise nicht gestreikt hat.
Nie wieder ein Land im Dauerstreik!

ich versorge euch dann mit Roggenbrot, Spätzle, süß-sauren Gurken und sonstigen Genüssen aus deutschen Landen. So die Pakete durchkommen. :-)

lg Barbara